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Schwittys Fahrradtour87 Teil 4

Fahrradtour durchs Nettetal

Von Born bis Harbeck /Teil 4

27 September 1987
Die Uhren wurden über Nacht umgestellt. Sehr zu Gunsten für den Kalle, der gerne bis in die "Puppen" schläft. Ich lese seit neun Uhr Zeitschriften, die für Gäste im Flur bereit liegen. Die Toilette befindet sich ungünstig außerhalb des Zimmers; Not macht erfinderisch und so benutzen wir aus Zeitnot die Spüle. Wirklich - so peinlich mir diese Tatsache ist, unsere volle Blase hätte keine andere Maßnahme zugelassen, wir haben unser "Ersatzklo" anschließend wieder gründlich gereinigt, außerdem hat Urin einen medizinischen Wert, wovon der Leser sich im vorherigen Artikel nochmals überzeugen kann.

Die Leute sind - wie stets ehrlich beschrieben - sehr nett. Das Frühstück ist hervorragend nur fehlt die Butter. Ich lege den Scheibenkäse auf das trockene Brot, beschwere mich später über diesen Mangel, natürlich erst - feige wie immer - im angetüdelt Zustand. Dafür bekomme ich am nächsten Tag eine doppelte Portion Streichfett mit dem Hinweis, das nächste Mal nicht so schüchtern zu sein. Versprochen!

Der Naturpark in Brüggen gefällt uns, allerdings nicht die diversen Preise innerhalb des Parks. Das Schloss in Brüggen übertrifft allen unseren Erwartungen, die zwei Mark fünfzig Eintritt sind wirklich gut angelegt. Wir lernen viel über die Neandertaler - eine gewisse Authentizität mit machen Leuten und besonders mit mir, wenn ich zu viel getrunken habe, ist unbestreitbar vorhanden - die Fauna, viele Tiere - kurz - wir genießen endlich einen lehrreichen Tag und sind happy.

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28 September 1987
Wie bereits erwähnt - wir sind hoffnungslos versackt, das bedeutet: drei Tage am selben Ort, dieselben Wirte, dieselbe Pension und das gleiche Bier. Das Frühstück ist super und dann der Frühschoppen. Wir kleben auf dem Barhocker wie Pumukel am Leim vom Meister Eder, obwohl die Drahtesel sehnsüchtig auf Bewegung warten. Natürlich vergeblich! Aber was soll's! Morgen ist auch noch ein Tag.

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Zurück in die Wirtschaft - zurück in den Dämmerzustand der alkoholisierten Umnachtung. Den Vorsatz, unseren Alkoholkonsum ein wenig einzuschränken, gerät schnell in Vergessenheit. Die Wirte sind nett - das Bier ist lecker - was wollen wir mehr?

Zeit zum Schlafen. Es ist nun sechzehn Uhr nachmittags. Fünfundzwanzig (kleine) Biere sind gemeinsam vertilgt. Eine Tour durch Bracht - allerdings zu Fuß - dass war's für heute. Unseren Aufenthalt an diesem schönen Ort haben wir verlängert. Morgen, das nehmen wir uns eisern vor, geht es frisch und fröhlich weiter.

Doch hier möchte ich noch einen turbulenten Zwischenfall des heutigen Tages erwähnen: In der Zwischenzeit, als ich unsere alkoholischen Getränke in einem Lebensmittelladen auf den neusten Stand bringen - oder besser - auffüllen musste, und dadurch ein leider denkwürdiges Ereignis versäumte, das folgendermaßen ablief: Kalle trieb mal wieder Raubbau mit seiner Gesundheit, indem er es vorzog, eine Zigarette zu rauchen, anstatt mir bei der Auswahl der Getränke zu helfen. Zwei junge Männer die an Pat und Patachon erinnerten, zogen an ihm vorbei, einen Karren im Schlepptau, wie er gerne zum Vatertag benutzt wird.



Der kleine Schmächtige war offensichtlich überfordert, wahrscheinlich war sein Gerechtigkeitssinn stark angegriffen, denn er fühlte sich ausgenutzt. Der Karren unterschied sich von einem normalen Bollerwagen, denn ein fehlendes Rad war durch eine Fahrradfelge ersetzt worden, die um ein vielfaches größer als die anderen Reifen war - man stelle sich die unausgeglichene Balance dieses seltsamen Gefährts vor. Wie einen sturen Esel, der keinen Schritt mehr zu gehen gedenkt, zog das Kerlchen an den Karren. Seine Mimik verriet einen Wutanfall, der dann auch bald folgen sollte. Hier zitiere ich den genauen Wortlaut: „Erst montiere ich das Wagenrad; dann mache ich den Hof sauber - bin ich denn euer Vater?“ Wutentbrannt warf der Kleine den Wagen um und ließ den Dicken stehen, der die ganze Zeit mit den Händen in den Taschen hinter den eigenartigen Karren herum geschlendert war, ohne auch nur annähernd Hilfe zu leisten.

Das Ganze spielte sich außerhalb meiner Abwesenheit ab - Kalle amüsierte sich den restlichen Tag darüber. Man konnte ihn nicht beruhigen - ein hoher Ansteckungseffekt aller Leute, die uns an diesem Tag über den Weg liefen.

Viele Situationen versprechen Humor, man muss ihn nur erkennen. Es hängt ganz von der Perspektive des Betrachters ab. So mancher Miesmacher hätte dieses Erlebnis als negativ angesehen und mit Unmut reagiert. Aber Kalle war durch und durch ein Spaßvogel, zur Freude seiner Mitmenschen.


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29 September 1987
Wir stehen um elf Uhr müde auf, frühstücken abermals unser umfangreichstes Essen des Tages und setzen uns mit guten Vorsätzen an die Bar. Spätestens mittags um zwölf wollen wir aufbrechen und radeln um dreizehn Uhr vierzig weiter. Rosi mit den traurigen rehbraunen Augen, immer ein Lächeln auf den Lippen, umarmt uns freundschaftlich zum Abschied, nicht ohne das übliche Versprechen abzugeben, bald wiederzukommen - am besten noch heute.


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Ich fühle mich wie ein Teddybär, der für immer in die Spielzeugkiste verbannt wird, weil die Puppen- oder besser Teddymutter erwachsen geworden ist.


Wir treten zwei Stunden Richtung Niederkrüchten in die Pedale - befriedigen dort in einer Imbissstube ausgiebig unsere Mägen. Wir schlagen uns die Bäuche derart voll, dass die Weiterfahrt schwer fällt. Das schöne Wetter versetzt uns wirklich in Erstaunen - schließlich ist Herbst. Ich trage ein hemdsärmliges T-Shirt, Kalle trägt meinen und seinen dicken Pullover übereinander. Landschaftlich ist die Gegend wirklich wunderschön.


Eigentlich wollten wir in Niederkrüchen übernachten, doch mein Schatz hegt ernsthafte Bedenken, denn er kann vor Ort keine Kirche ausmachen - man erinnere sich, keine Kirche, kein Bier. Doch diese taucht einig Kilometer weiter auf. Wie gesagt - wir speisen umfangreich und haben noch lange etwas von unserem Geld - nämlich Sodbrennen.

In Merbeck kommen unsere treuen Fortbewegungsmittel zur Ruhe - wir rasten mal wieder. Schließlich haben wir einige Kilometer ohne Trinkpause gemeistert. Durstig, mit hängender Zunge kehren wir in einem netten Wirtshaus ein. Eine liebe ältere Bedienung in Panikstimmung, weil sie sich mit ihren bisher einzigen Gast über aktuelle Brandkatastrophen unterhält, bedient uns. Freundlich nicke ich ihr zu, obwohl ich kaum ein Wort ihrer holländischen dialektgetränkten Erklärungen verstehe. Sie scheint sehr sparsam zu sein, denn jeder wertvolle Tropfen aus dem Zapfhahn wird aufgefangen (sie hat zwei Wassergläser mit verschaltem Bier gesammelt, damit füllt sie ihre frisch gezapften Bestellungen auf). Freundlich erklärt sie den Weg zur nächsten Pension.

Wir radeln mit unserem Fitz (hier nennt man ein Fahrrad so) sechs Kilometer weiter nach Harbeck. Ein roter Himmel begleitet unsere Abenteuerreise. Glücklich genießen wir diesen Anblick, man könnte meinen, die Engel würden für uns Kuchen backen. Unsere Freude erlebt eine weitere Steigerung, nachdem wir per Telefon erfahren, dass es zu Hause ständig regnet.

In Harbeck angekommen parken wir unsere beladenen Fahrräder im Hinterhof einer Pension. Nachdem wir uns erfolgreich nach einem Zimmer erkundigen - verwundert darüber, dass die ältere Frau gar nicht wissen will, ob wir verheiratet sind, denn überall hängen Kreuze, Dürers betende Hände und Christusfiguren. Freundlich zeigt sie uns das Zimmer, preist ihr gutes Frühstück und die Ehrlichkeit unserer Nachbarn (wegen der beladenen Fahrräder) und ist schnell verschwunden. Wir laufen noch zu Fuß durchs Dorf, ärgern uns über eine Fitzerin, die uns fast umnietet einfach rücksichtslos. Besichtigen eine Pferdefamilie auf der Weide, die verstohlen unsere leeren Hände betrachtet, und kehren anschließend im gegenüberliegendem Lokal ein. Missverständlicherweise überreicht man uns eine Speisekarte, doch der Irrtum ist schnell aufgeklärt und so begeben wir uns an den Tresen. Ein hyperaktiver Junge kommt herein gestürzt - meckert über die verpestete Luft - nimmt innerhalb einer Minute drei verschiedene Plätze vor der Theke ein und bestellt sich lautstark eine Coca-Cola - beschwert sich wieder, weil angeblich sämtliche Barhocker ungemütlich seien und fordert den Stuhl des Wirtes. Dieser ’’bescheidene’’ Wunsch wird natürlich abgelehnt. Er bezahlt sein Getränk - nippt daran und verlässt unverrichteter Dinge das Lokal. Das Ganze spielt sich in etwa fünf Minuten ab.


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Eine Stunde später (der Wirt hat gerade das volle Glas Coca-Cola vernichtet) kommt dieser Junge wieder - bestellt sich ein neues Getränk - wirft in kürzester Zeit fünfzehn deutsche Mark in den Spielautomaten, meckert wieder über die angebliche Verschwendung des Wirtes, und verlässt erneut die Wirtschaft. Zeuge dieses Geschehens bleibt das halb leere getrunkene Glas dieses mysteriösen

Wesens. Man fragt sich, was in diesem Schädel vorgeht. Sind wir etwa ähnliche Fälle, von unseren Mitmenschen anders gesehen als wir glauben?

Punkt zehn Uhr räumt der Wirt ab. Feierabend! Endlich kommen wir einmal verhältnismäßig früh in unsere Koje.

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